24 Tage
bis
zur Entscheidung
Tag 3
Ich sitze an meinen Schreibtisch. Gestern war es irgendwie merkwürdig. Erst sagt mir Sarah, ich solle meinen neuen Chef alles zeigen. Dabei hat sie mir zugezwinkert. Ich glaube, sie gibt nie auf. Meine Kollegin hatte ihn schon einen Kaffee gebracht, aber als ich ins Zimmer kam, stand er vor den Foto und eine volle Tasse auf den Schreibtisch. Woher weiß der Typ, dass Johannes immer gesagt hat, er ist Grünauge und ich bin Blauauge. Wieso sagt er das? Er kennt ihn doch nicht. Ist das ein Spiel? Hat Paulus gesagt, Jakob sollte es sagen. Paulus macht immer so komische Andeutungen. Wie zum Beispiel: Wir sind ein tolles Team. Du bist eine tolle Frau, aber du weiß von unserer Firmenpolitik. Solange Johannes mein Vorgesetzter war, konnte er mich anbaggern. Irgendwie war ich traurig und froh, dass mein Boss nicht mehr da war. Traurig, weil …. . Ach egal, warum denke ich überhaupt nach. Froh, weil Paulus mich jetzt ein Jahr in Ruhe gelassen hat. Er ist einfach nicht mein Typ. Es liegt nicht daran, dass er mein Boss ist, sondern eher seine Art. Ich würde auch nichts mit ihn anfangen, wenn er mir privat über den Weg gelaufen wäre. Der Typ ist einfach ein Tabu. Sarah weiß es. Sie meinte, Johannes wäre sogar auf Paulus eifersüchtig gewesen, weil wir öfters Scherze gemacht haben. Irgendwie habe ich das Gefühl, es wird sich in nächster Zeit viel ändern. Johannes und ich verstanden uns gut bis er mitbekommen hat, dass Marek nur ein Freund war und nicht mein Freund war. Ab den Tag wurde er manchmal etwas schräg. Sogar Sarah fiel es auf. Vielleicht störte ihn auch, dass sein Cousin mich anbaggerte. Paulus ist ein netter Typ, aber irgendwie hat er andere Wertvorstellungen wie ich. Deshalb habe ich seine blöden Anmachen nicht ernst genommen. Jedenfalls als noch alles in Ordnung war, hatte Johannes ein Gespräch zwischen mir und Sarah mitbekommen, wo ich nebenbei erwähnte, dass mein Klassenkamerad und Freund Marek mich Grünauge nannte. Mein Chef kam in diesen Moment gerade ins Büro rein und fragte, weshalb mein Freund mich so nennen würde. Wenn ich an diese Situation denke, muss ich schmunzeln. Ich muss gestehen, ich war zu diesem Zeitpunkt noch nicht lange im Unternehmen. Vor meinen Geständnis zog mich Sarah auf, dass ich wohl Johannes schöne Augen machen würde. Ja, ich schwärmte für ihn, aber meiner neuen Kollegin wollte ich es nicht gleich auf die Nase binden. Ich muss an mein Lieblingsmärchen Snow White denken. Aus diesen Märchen habe ich vieles gelernt. Und mein Motto ist seit dem Tag: Schneewittchen wurde nicht vergiftet, sondern hat das Gute im Menschen gesehen und ihnen blind vertraut. In heutigen Zeit muss man genau hinsehen, wem man vertraut. Wer kann ein Geheimnis bewahren oder verwendet nicht gewisse Information von jemand anders für sich, um gewisse Vorteile zu erhalten. Wenn das Vertrauen einmal verletzt wurde, kann schon ein einziges Wort viel Zweifel auflösen. Meine damalige Kollegin Moni aus meiner alten Firma hatte ich blind vertraut und sie nutzte mein Geheimnis aus, um mich zu zerstören. Jeder im Unternehmen wusste davon! Irgendwie kam das Gerücht hoch, dass ich nur den Posten haben, weil ich …. . Eben was jeder denkt. Marek holte mich dann jeden Tag ab bis die Stimmen verstummten, aber irgendwie konnte ich da nicht mehr arbeiten. Ich musste sehen, dass ich da weg kam und landete hier. Paulus und Johannes fragten nicht lange nach, warum ich diesen Job machen wollte und weshalb ich nicht weiter meinen Beruf ausübe. Seit dem bin ich sehr vorsichtig geworden und irgendwann merkte ich, dass Sarah eine sehr verschweigende Person war. Das war kurz nachdem ich ihr gesagt hatte, ich wäre Blauauge. Jedenfalls Johannes sagte dann scherzhaft, er wäre dann Grünauge und Sarah wohl Graublauauge. Bei Paulus sagte er noch, er wäre Katzenauge. Wir lachten darüber. Sein Cousin kam rein und hakte nach, was so lustig wäre. Sarah erzählte es ihn. Ich weiß ja, das Sarah auf ihn steht, aber das weiß er nicht. Ich ziehe sie jedenfalls nicht damit auf. Johannes war nett und zu vorkommend. Diese persönlichen Dinge waren zu diesen Zeitpunkt sehr verwirrend. Ich überlege gerade, welchen Namen seine Freundin hatte. Judith ist ihr Name. Seit dem Verschwinden habe ich sie nie wieder gesehen. Ich schwelge schon wieder in alte Kamellen. Kino ist beendet, sage ich streng zu meinen Kopf Aber gestern dachte ich, ich hätte ein Déjà-vu Erlebnis. Warum hatte er sein Getränk noch nicht angerührt? Sarah meinte noch, dass Jakob sein Büro inspiziert. Die Tasse war noch voll und ich denke nach einer Stunde ist er ungenießbar, außer man steht auf kalten Kaffee. Ich gab ihn die neue Tasse und wir berührten uns. In dem Moment trafen sich auch unsere Augen. Als dann noch Schritte zu hören waren, war der Zauber vorbei. Langsam fühle ich mich wie im Film, die drei Weihnachtsgeister die ich rief. Ich habe dann seinen Kaffee getrunken, als er mir gesagt hat, es dauert wohl länger. Eine Stunde später rief Paulus ein, dass sie Jakob mit zu Spendengala nehmen. Er hatte es ganz vergessen zu erwähnen. Ja, diese Gala kenne ich. Einmal waren Sarah und ich mit, aber das ist lange her. Nur weil Paulus und Johannes keine Begleitung hatten. Es war ein einziges Mal und der Moment, wo ich dachte…. . Oh, Mist. Schon wieder Vergangenheit. Jedenfalls kam am nächsten Tag die kalte Dusche als Judith ins Büro platzte und stellte Johannes zu Rede. Ab den Tag wurde Johannes etwas distanzierter zu mir. Das war vor drei Jahren und heute vor zwei Jahren hat er angefangen, mich runter zu machen. Egal was ich tat, es war alles falsch. Zwischendurch war Johannes dann wieder gut drauf, aber die meiste Zeit schlecht gelaunt. Wieso schweifen meine Gedanken immer zu Johannes? Ich habe ein Jahr nicht mehr daran gedacht. Weshalb jetzt? Spielt mein Gehirn mir Streiche? Immer wenn ich Jakob berühre, habe ich das Gefühl, ihn schon länger zu kennen. Ein Tür knallen holt mich aus meinen Gedanken. Wütend kommt Sarah aus den Büro von Paulus. Seit wann ist meine Kollegin da? Als ich vorhin ins Zimmer kam, war ihr Platz leer.
„Moin Sarah!!
Verwirrt dreht sie sich zu mir um und sagt ärgerlich : „Morgen.“
Dann geht sie zur Kaffeemaschine und macht sich einen Cappuccino. Sarah hat auf die Tasten.
„Was ist los?“
„Nichts, Florentine.“
„Nach nichts sieht es nicht aus.“
Sie dreht sich zu mir um. Ihren Ärger sieht man ihr an. Eine Weile betrachtet sie mich und sagt: „Paulus beschwert sich bei mir und dann sagt er plötzlich, ich soll einen Tisch für euch beide bestellen?“
„Was bitte? Für ihn und mich?“
„Ja, wie sagte er zu mir? Ich will sie daten.“
Plötzlich kommt Jakob rein und hat wohl den letzten Satz mitbekommen. Er hakt nach.
„Wer will wen daten?“
„Paulus will mit mir einen Verabredung“, erwidere ich schnell. Jetzt verstehe ich warum Sarah so sauer ist. Erst macht er sie fertig und setzt anschließend noch etwas drauf. Nämlich ein Rendezvous mit mir. Ich verstehe sie.
„Sie und Paulus?“, hakt Jakob ein.
Wie auf Stichwort, beantworten Sarah und ich gleichzeitig die Frage mit Ja.
Kopfschüttelnd geht Jakob ins Paulus Büro. Aus den Zimmer kommt gar nichts. Kurze Zeit später kommen beide raus und teilen uns mit, dass wir alle ein Meeting zusammen haben. Paulus hätte sich falsch ausgedruckt. Wir sehen die beide irritiert an. Jakob bittet mich in sein Büro zukommen und ich folge ihn. Danach schließt er Tür.
„Setzen sie sich, bitte.“
„Habe ich was falsch gemacht?“
„Nein, nicht Du sondern Paulus.“
„Was?“
„Ich habe Paulus nur den Kopf gewaschen. So geht man nicht mit seinen Assistentin um.“
„Ich verstehe es nicht“, gebe ich ihn zur Kenntnis.
„Es sieht doch ein Blinder, wie vernarrt Paulus in sie ist.“
„In mich?“
„Nicht Du, sondern in sie.“
„In wen?“
„Soll ich dir ein Geheimnis verraten?“
Jetzt duzt er mich plötzlich. Einmal sie und dann du. Was soll das? Ich nicke.
„Ja, ich kann schweigen, wenn es angebracht ist. Ich weiß nicht, warum Johannes so sauer auf Paulus war. Jedenfalls habe ich ihn den Kopf gewaschen. Er soll nicht den gleichen Fehler machen.“
„Was heißt das?“
„Geheimnisse werden nicht ausgeplaudert und Vertrauen muss man sich erst verdienen. Wenn sie das nicht wissen. Es sieht ein Blinder, was hier in Büro abgeht.“
„Was willst du mir damit sagen?“
„Ach vergiss es. Paulus und ich haben beschlossen, heute noch ein Gespräch zu führen. Wir sind morgen mit seinen Vater und Onkel verabredet. Also, schmeißt morgen alles um. Wir sehen uns an Nikolaus. Kannst du dir das schon mal fürs Meeting ansehen? Es ist wichtig. Ich vertraue dir, dass du diese Information nicht weitergibst.“
„Okay.“
„Dann kannst du wieder an deinen Platz gehen. Für heute hast du und Sarah noch viel zu tun.“
Ich erhebe mich und gehe zur Tür. Als ich die Klinke runterdrücke, ruft Jakob: „Stopp.“
Schnell drehe ich mich um und Jakob steht da. „Du musst mir eine Frage beantworten.“
„Ja, welche?“
„Johannes und du. Was lief da?“
„Nichts. Er ist eingebildeter Typ. Ich bin froh, dass er nicht mehr da ist.“
Danach nimmt er mich in den Arm und flüstert mir ganz leise ins Ohr: „Ich glaube, Johannes sah es anders.“
Es kribbelt und dann lässt Jakob mich los. Ich sehe ihn in die Augen.
„Wie meinst du das?“
„Keine Ahnung. Paulus hatte eben was angedeutet.“
„Okay“, gebe ich als Kommentar ab.
Dann schlendere ich an meinen Schreibtisch. Kurze Zeit später verabschieden die beiden sich. Und danach ist Stille. Sarah und ich reden den ganzen Nachmittag kein Wort. Verrückte und verkehrte Welt. Auf einmal kommt Klausi rein, ein Freund von Paulus. Er ist auch sehr irritiert über die Sachlage. Dann macht Sarah Feierabend und guckt mich nicht mehr mir der Arschbacke an. Was ist hier los? Kurze Zeit später gehe ich auch. Als ich zuhause bin, frage ich mich immer wieder, warum Sarah mich den ganzen Tag ignoriert hat. Ich kann doch auch nichts dafür, dass Paulus auf mich steht. Aber er ist nicht mein Typ.